Bis an die Grenzen der Viamala
und darüber hinaus
Von Lars Dünner
Die Wettervorhersage ist gut und auch die Lawinensituation in der Region hat sich in den letzten Tagen wieder beruhigt. Mit dem Postauto mache ich mich auf den Weg nach Juf im Avers, wo ich auf die vier Bergführer und den Fotografen treffe. Nach der letzten Detailplanung vor Ort geht es bereits los und wir laufen durch das wundervolle Jufer-Tal in Richtung Anstieg. Schon hier kommt das Gefühl auf, abseits der Zivilisation zu sein. Vorbei an der Jufer-Alp spüre ich schon langsam das Gewicht des grossen Rucksacks, prall gefüllt für die zweitägige Tour mit Biwak Übernachtung und hoffe, dass ich nicht wieder wie üblich zu viel unnötigen Ballast eingepackt habe. Ich stelle mir vor, wie zu den ersten Siedlerzeiten Güter über die Handelswege in Richtung Süden und umgekehrt transportiert wurden. Das Avers war dazumal stark angewiesen auf die Verbindungen über den Septimer- und Prasgnolapass. Unvorstellbare Leistungen, welche zu diesen Zeiten vollbracht wurden.
Die Sonne drückt immer wieder durch den Föhndunst und bald schon erblicken wir den Piz Piot mit 3053 m.ü.M. am Horizont, welcher den hintersten Talabschluss des Avers bildet. Nach einem steileren Aufstieg erreichen wir die weite Fläche unterhalb des Jufer Jochs, wo einst der Piot Gletscher lag. Eine Szenerie wie aus dem Bilderbuch. Der Bergführer Stiwi sprintet kurzerhand mit den Skiern in Richtung Bergspitze hoch um anschliessend eine steile Bergflanke für das perfekte Foto zu fahren. Ich bin beeindruckt, welche Professionalität und Kondition das Team der Bergsportschule Grischa an den Tag legt und mir ist schnell bewusst, dass mein Fitnesslevel als Freizeit Berggänger Meilensteine davon entfernt ist.
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Nach diesem Zwischenstopp geht es hoch bis zum Joch und weiter auf dem Grat bis zum Gipfel. Der Rundumblick auf dem Piz Piot ist grandios. Das Wetter lässt es zu, dass wir sogar die Spitzen des „Monterosa-Massivs“ erkennen können und die Bergeller Granitzacken wirken imposant. Wir stehen nun auf der Wasserscheide, wo sich die Regentropfen schlussendlich entscheiden südlich in die Adria oder nördlich in den Atlantik zu fliessen.
Das Ausruhen muss jedoch noch warten. Auf dem Gipfel müssen wir zuerst einmal unser Biwak-Camp errichten. Nach rund einer Stunde schaufeln, aufbauen und einrichten stehen die Zelte windgeschützt auf geradem Untergrund und alles passt so, dass wir uns dem wohlverdienten Nachtessen widmen können. Jägereintopf, Rahmnüdeli oder Bouillon Suppe, jeder hat seine eigene kulinarische Köstlichkeit aus dem Instant-Pack dabei.
Der Himmel färbt sich langsam in sanftes Rot und die Abendstimmung versetzt uns ins Staunen. Wir versuchen gekonnt die schönen Momente mit der Kamera einzufangen… aber in Echt ist es einfach am schönsten. Bald schon ist die Wärme der Sonne verschwunden und die Zeit gekommen, es sich im Zelt gemütlich zu machen. Die Nacht ist erstaunlich angenehm, nur ab und zu gibt’s ein kleines Schneegestöber, wenn ein Windstoss die Eiskristalle von der Zeltinnenwand ablöst.
Am Morgen werden wir belohnt; genau so haben wir uns das vorgestellt. Leichte Nebelschwaden liegen in den Tälern Richtung Süden, die Sonne kitzelt die ersten Wolken und schon bald spielen unzählige Farben miteinander. Was gibt es schöneres auf der Welt als Sonnenaufgänge auf einem Berggipfel.
Jetzt liegt der Fokus jedoch wieder wo anders. Wir müssen bis spätestens elf Uhr das südliche Tal verlassen haben, um das Risiko von Nassschneelawinen zu vermeiden. Schnell alles abbauen, zusammenpacken und dann geht’s auch schon wieder los. Über steile Flanken fahren wir immer noch schwer bepackt ins Val Maroz, welches ins Bergell mündet. In der Talsohle angekommen, geht es flach weiter. Einen Wechsel auf die Felle ist somit an einzelnen Stellen unumgänglich.
Autor.
Lars Dünner
Lars - Marketingleiter von Viamala Tourismus, ist viel in seiner Freizeit in der Natur anzutreffen. Am liebsten abseits von Wanderwegen und immer auf der Suche nach den schönsten Plätzen, welche die Region zu bieten hat. Als passionierter Fliegenfischer, Berggänger und Outdoorfreak kennt er die Viamala fast schon besser als seine Westentasche.